Thomas Maroschik – CTO von DFAU
"Im Grunde geht es immer um systemische Probleme auf Metaebene"
In den Geschichten von Unternehmen gibt es einen Fundus von Archetypen, wie alles begann. Im Wohnzimmer oder in der Garage, mit überzogenen Kreditlinien, genialen Erfindungen und natürlich unternehmerischem Weitblick. Und Zufällen. Leben also. Die "ordentliche" Geschichte von DFAU lesen Sie hier. Hier lesen Sie die zugegebenermaßen äußerst verkürzte "unordentliche" Geschichte über das Leben, das Universum und warum alles so kommen musste.
Für Tom geht es immer um Systeme, gleich welcher Art. Andere legen Wert auf eleganten Code oder das Design der Software, was auch immer damit gemeint ist – Tom hingegen möchte, dass ein System auf Metaebene und in der Realität funktioniert. Und das bedeutet zuallererst: Den zugedachten Zweck zu erfüllen. Dafür eine Lösung zu finden, das ist sein Ding. So hat er auch sein Haus gebaut, ebenfalls eines von vielen denkbaren Systemen. So etwas funktioniert, wenn man nicht nur den Blick für ein einziges System hat, beispielsweise Informationstechnologie, sondern wenn man Systeme auf abstrakter Ebene versteht.
Tom ist Franke, mit polnischen Wurzeln. Nach diversen Schleifen im Lebenslauf, nach Heirat und Hausbau führt Tom ein durchaus geordnetes Leben. Mit Smoker auf der Terrasse und 12-Stunden-Sessions Schichtfleisch kochen. Tom ist bei DFAU der Nerd schlechthin. Und gleichzeitig viel freundlicher, als man es gemeinhin von Nerds gewohnt ist. Dass er Probleme schneller und gründlicher löst als andere und dass er leider in den allermeisten Fällen Recht hat, dafür kann er nichts.
More than meets the eye
Dabei hatte lange nichts darauf hingedeutet, dass Tom einmal Code Crack und Mastermind von DFAU werden würde. Der spätere Inhaber eines digitalen Röntgenblicks war Leistungssportler im Frankenkader (Ski), House- und Techno-Epigone mit Hang zu Raves und ein Querschläger in der Schule. Dieses System war eines der wenigen, mit denen Tom nicht kompatibel war. Lieber Windows 4 auf Papas frisch erworbenem 486er schrotten und am nächsten Tag mit 30+ Disketten wieder installieren. Irgendwann kreuzte ein dickes gelb-schwarzes Buch Toms Weg: Linux für Dummies. Anbei eine CD (so viel Speicherplatz!) mit Suse 6, dem möglicherweise bis heute benutzerfreundlichsten Linux überhaupt. Ein Zeichen.
Bis zu den ersten TYPO3-Installationen blieb der Weg kurvenreich. Die Schulwebsite, Tom war 11 und in der sechsten Klasse. SelfHTML von Stefan Münz, Netscape Composer, Frontpage. Für "die Jugend von heute" Geschichten aus dem Krieg, als Opa im Schützengraben lag und die Initialisierungssequenz eines Hayes-kompatiblen Modems zum Anwender hinüberwehte. Die Plattenteller drehen sich, die Welt ebenso: Events ausstatten, Beschallungsanlagen entwickeln und verkaufen, als DJ auflegen, Websites und Kataloge designen, ein Eventportal für Nürnberg bauen und mit Online-Shops online gehen, als E-Commerce noch ein Fremdwort war. Klassenbester auf der FOS, doch 0,33 unter dem Schnitt für die normale Zulassung. Das Bildungssystem belohnt eher stromlinienförmige Charaktere. Nichts für Tom, der in diesen Jahren bereits auf eigenen Füßen stand und noch nicht wusste, wo er "sein Ei" legen sollte.
Das hätte beinahe in einem völlig anderen Nest gelegen: Einzelhandelskaufmann. Wer Tom heute kennt, dem weiten sich bei dieser Vorstellung angsterfüllt die Pupillen. Don’t be evil – do the right thing! Es wurde Gott sei Dank eine Lehre als Mediengestalter, inklusive cholerischem Chef und Wechsel der Lehrstelle. Und damit sind wir beim Turning Point in der Biographie: Tom steht eines Tages vor einem Haus in der Espanstraße und fragt sich, ob hier ernsthaft das Unternehmen beheimatet ist, dessen Chef von seinem Vater immer wieder hartnäckig angegangen worden war und zu dem er jetzt als Lehrling wechseln soll und wo an einem Samstagmorgen niemand zu Hause zu sein scheint. Die Tür geht schließlich doch auf. Der Abend gestern war wohl länger gewesen. Das Büro ist unter dem Dach und Tom denkt: Die Rechner sind geil.
Regisseur, Schnitt. Fast Forward.
Die ersten Websites werden mit Flash gebaut, heute irgendwie so eine Art digitaler Faustkeil. Tom setzt die eigenen Server und die der Kunden auf. Nebenbei, damit alles vernünftig funktioniert. Die Projekte werden größer, jetzt werden die Timelines auch mal gerissen, nicht zuletzt, weil so viel an einer Person hängt. Die drei TYPO3-Awards, unter anderem für die Website of the Year, gehen zum weitaus größten Teil auf seine Kappe. Nach Jahren im TYPO3 Core Team zieht sich Tom wieder zurück, als Mastermind und Ausbilder ist er im Unternehmen gefragter denn je. Tom arbeitet jetzt quasi daran, dass man ihn nicht mehr für alles braucht. Gar nicht so einfach.